Markus Mittringer    
     


Resistent


Wieland Schmied berichtet in 'Notizen zur Österreichischen Malerei von 1945 - 95' von einem langen Gespräch (Annahme: Anfang bisMitte 70) in einer Berliner Kneipe zwischen Kurt Kocherscheidt und Oswald Wiener, bei dem Wiener Kocherscheidt den Tod des Tafelbildesauseinandergesetzt hat. Das war für Kocherscheidt das Stichwort sich wieder ganz auf die Malerei zu konzentrieren.

Malerei als Malerei war fortan sein Thema - Malerei, wie sie etwa Giorgio Morandi betrieb."Zeitgeist" nannte sich die Schau im Berliner Martin Gropius-Bau, 1982, ab der es dann wieder legitim, ja nachgerade Bedingung war zumalen. Neu, wild und expressiv hatten die Bilder zu sein, bis zunächst 'Neo-Geo' zur Ordnung rief und kurz darauf das Tafelbild wieder für tot erklärt wurde. Das Ping-Pong Spiel gewann an Tempo, die trend-scouts folgten ihrer Berufung, jeweils morgen war alles wieder ganz anders. Die begleitenden Medien frönten hysterisch ihrem Kommentarbedürfnis.

Heute dominiert gerade wieder Skepsis. Zu malen schickt sich nicht, wieder werden diejenigen, die Bilder produzieren, von denen, die das gerade ablehnen, des Anachronismus bezichtigt. 'Avanciert' lautet das begehrte Prädikat der 90er. Menschen, die Farbe auf eine ebeneOberfläche aufbringen, bekommen dieses selten verliehen.
Malerei gilt nur noch unter dem Vorhaben, analytisch zu sein, als korrekt.

Alles andere wird gerne als naiv abgetan, als tendenziös dem Geniekult zugehörig, von der Auszeichnung 'avancierte Kunst' ausgenommen.Wie bei jeder Polemik liegt der Fehler in den argumentativen Ungenauigkeiten, in bewußt gesetzten Unschärfen, die der Abgrenzung dienen sollen. Malerei ist potentiell selbstreflexiv, gute Malerei hat immer schon ihre eigene Geschichte und Prozeßhaftigkeit zum Gegenstandgehabt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mit dem Schlagwort 'Analytische Malerei' meint man nur zu oft eine Absage an die Komposition (Helmut Federle hat darauf in einem Interview in Noema Nr.49 hingewiesen). Die Absage zeigt sich als zeitgeistiger Versuch der Abgrenzung;
im hoffungslosen Unterfangen sich selbst dadurch als progressiv, oder eben avanciert zu beweisen.

Für Dieter Kleinpeter heißt es daher: weitermalen unter dem Menetekel des Anachronismus. Doch, nachdem er schon länger malt, dürfte er sich daran gewöhnt haben und gibt sich unbeeindruckt.
Seinen Bildern jedenfalls schaden derlei Strohfeuer nicht. Kurt Kocherscheidt hat Oswald Wiener zum Trotz bis zu seinem Tod eine stattliche Anzahl guter Bilder produziert. Andere Maler aus dem Wiener Umfeld Kleinpeters, wie Erwin Bohatsch oder Walter Vopava, tun dies ebenfalls - und auch er selbst gibt sich gelassen und tut, was eben zu tun ist,um dem Malen ein weiteres gutes Bild abzuringen

Kleinpeter weiß Malen ist Arbeit, was heißt, immer wieder neu damit zu beginnen, die Möglichkeiten des Optischen auszuloten. Malen über das Malen selbst bedingt ein Einverständnis damit, daß jedes Resultat nur fern von Endgültigkeit sein kann. Gerade aber im inständigen Fortfahren, im täglich erneutem Versuchen, im Wissen um die Relevanz noch so kleiner Abweichungen, liegt enormes Potential verborgen.

Die Analyse des Mediums und damit einhergehend seiner Geschichte ist Vorbedingung. Erproben, Zweifeln, Abschließen und wiederum Neubeginnen verknüpfen das Analytische mit dem Emotionalen. Die persönliche malerische Handschrift sucht, verbunden mit einemgrundsätzlichen Bekenntnis zu Komposition und Malkultur, nach einem Resultat fern von spontaner, unreflektierter Expressivität. Die grundsätzliche Beschäftigung mit dem Material Farbe, das Ausloten der Möglichkeiten von Komposition und Tiefe sprechen für eine Orientierung am Essentiellen. Im Versuch der Ergründung des Wesens von Malerei äußert sich stets auch eine existenzielle Komponente.

Das Freilegen gründender Merkmale, die intendierte Annäherung an den Kern, an die Essenz, ist durchaus als Befragung des Seins zuverstehen. Als Möglichkeit sich auch jenseits von Sprache zu orientieren.
Die Behauptung, in der Malerei sei schlechthin alles ausgereizt, der Ort des Malens wäre bis in die letzten Winkel hin erfaßt, negiert die Variabilität von Kultur schlechthin. Das Leugnen der Bedeutung von Akzidentien führt uns direkt ins Fahrwasser Ideologie - ein enges Rinnsal,welches gerade ´mal eine Haltung, einen Standpunkt zuläßt; wenig für jemanden, der etwas von Belang schaffen möchte.

Ein weiteres gutes Bild zu malen hat wenig mit Erfindung zu tun und noch viel weniger mit Abgrenzung. Vielmehr geht es darum, eine beachtliche Tradition anhand einer neuen bildnerischen Formulierung im Kontext aktueller gesellschaftlicher Realität zu sehen. Das magaufwendiger sein, als das Medium Malerei kurzum in Frage zu stellen, spannender ist es allemal.


Wien, September 1997